Windkraftanlagen in Deutschland: unausgelastet, unrentabel und völlig ernüchternd?


In den letzten Tagen wurden wir vermehrt auf einen Online-Beitrag der „Neuen Zürcher Zeitung“ aufmerksam gemacht. In einem „Visual“, also einer Zusammenstellung von kurzen Textausschnitten und bunten Grafiken, wird von einer Recherche berichtet, die eine „schlechte“ Auslastung von deutschen Windenergieanlagen ankreidet, davon ausgehend auf angebliche Unrentabilität schließt und schließlich “ernüchternde Ergebnisse” eigener Berechnungen zu deutscher Windenergie zeigen soll. Wir haben uns damit auseinandergesetzt – unser Faktencheck, der den Beitrag schnell als Unsinn entlarvt, ist unten nachzulesen. Aber auch andere haben schnell festgestellt, was für verdrehte Thesen da verbreitet werden. Ein eingängiger (und mit Ironie angereicherter;-)) Beitrag findet sich zum Beispiel auf diesem Blog: https://graslutscher.de/anti-windkraft-story-der-nzz-findet-heraus-dass-in-deutschland-nicht-immer-der-wind-weht/. Und hier findet sich ein kurzer, aber präziser Twitter-Thread von Marco Wünsch, ein Wirtschaftsingenieur bei Prognos: https://threadreaderapp.com/thread/1589652773741596672.html.

Visual der Neuen Zürcher Zeitung, die über “ernüchternde Ergebnisse” deutscher Windenergie berichtet (Grafik: Screenshot von nzz.ch, bearbeitet)

#1 Unwirtschaftlichkeit wird an veralteten Anlagetypen festgemacht

Das Modell, dass die Grundlage des NZZ-Visuals bildet, berechnet aus Wetterdaten, Standorten, Höhen und Turbinentypen eine geschätzte Jahreslaufzeit der Windenergieanlagen. Das Rechercheteam untersuchte 18.000 Onshore-Windkraftanlagen. Insgesamt gibt es in Deutschland allerdings mehr als 28.000 Onshore-Windkraftanlagen und ca. 1.500 Offshore-Anlagen. In der Untersuchung werden vor allem veraltete Anlagentypen berücksichtigt. So wird an 20 Jahre alten Anlagentypen (Vestas V80/V90) festgemacht, dass sich die Windkraft im Süden von Deutschland ohne Förderung nicht lohnt. Natürlich ist das so – genau deshalb gab es die Förderung schließlich. Moderne Anlagentypen allerdings sind deutlich effizienter. Dies findet im Beitrag auch Erwähnung: „ab 2015 gibt es größere Anlagen mit besserem Potential“. Heutige Rotordurchmesser sind im Vergleich zu den alten doppelt so groß, die Nabenhöhe liegt 60-80 m über der von alten Anlagen. Als Faustformel gilt: Pro Höhenmeter ist mit 1 % mehr Ertrag zu rechnen. Moderne Anlagen sind daher auch bei niedrigeren Windgeschwindigkeiten deutlich ertragreicher.

#2 Von Auslastung auf Wirtschaftlichkeit schließen – ein Fehlschluss

Die NZZ bewertet die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen anhand der Auslastung, was in verschiedener Hinsicht zu kritisieren ist. Weder Erlöse (Börsen-Strompreise liegen derzeit weit über der EEG-Vergütung!), noch Anlageninvest werden dabei berücksichtigt. Doppelt so große Anlagen sind allerdings nicht doppelt so teuer. Gleiches gilt für die Anzahl der Anlagen – Kosten für Erschließung und Gutachten verteilen sich auf mehrere Anlagen. Daher werden üblicherweise Windparks mit mindestens 3-5 Anlagen projektiert. Windparks werden in der Studie der NZZ jedoch gar nicht berücksichtigt.

Der kritisierte, im Süden niedrigere Kapazitätsfaktor ist bekannt und wird bei den Planungen und Ausbauzielen berücksichtigt. Er ist ein Maß für die Auslastung und bezieht die Jahresenergiemenge auf die maximale Leistung der Anlage. Die Grenzen für eine gute Auslastung sind jedoch beliebig gewählt, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein Auto hat nur eine sehr geringe Auslastung (Kapazitätsfaktor ca. 1 %) – und dennoch verzichten wir schließlich nicht aufs Autofahren.

Entscheidend ist, wann Windräder Strom erzeugen. Weder Strom aus Wind oder Sonne sind allein grundlastfähig. In Kombination können sie sich jedoch oftmals gegenseitig ergänzen. Im seltenen Fall einer Dunkelflaute helfen Speicher und Reservekraftwerke. Wie das funktioniert, erklärt hier zum Beispiel Volker Quaschning.

Warum brauchen wir Windräder hier bei uns?

Die NZZ stellt richtigerweise fest, dass die meisten Großverbraucher im Süden sitzen, und zeigt die Stromtrassen vom windreichen Norden in den Süden. Leider sind Stromtrassen sehr teuer, verlustbehaftet und haben derzeit deutlich zu wenig Kapazität, um den Süden Deutschlands komplett mit Strom zu versorgen. Daher ist es gesamtwirtschaftlich günstiger und notwendig, auch im Süden Windräder zu bauen – auch wenn diese dann manchmal still stehen oder nur mit geringer Leistung laufen.